Progressive kommunale Schuldenbremse

Wie können Städte und Gemeinden mehr investieren?

 

Zwischen 2000 und 2021 haben die Kommunen 89 Milliarden ihres Vermögens laut Berechnungen des Dezernats Zukunft verloren. Darüber hinaus wird im aktuellen KfW-Kommunalpanel 2025 der Investitionsstau der Gemeinden und Gemeindeverbände (Landkreise) auf 215,7 Milliarden Euro beziffert. Zukunftsinvestitionen im Bereich des Wohnungsbaus, der erneuerbaren Energien oder Transformationen sind darin noch nicht enthalten. Ebenso der teils sehr große Investitionsstau in den Eigenbetrieben und Zweckverbänden; im Trink- und Abwasserbereich, der Wohnungswirtschaft, Wärme- und Energieversorgung.

 

Die 100 Milliarden aus dem Sondervermögen für die Länder und Kommunen sind nicht mehr als ein Anstoß. Sie sind kein "Gamechanger", der die Situation grundlegend verändern kann. Beispielhaft hierfür zeigte der Städte- und Gemeindebund Brandenburg auf, dass allein bis 2029 ein Gesamtinvestitionsbedarf von 15,2 Milliarden Euro für seine Städte und Gemeinden (ohne Landkreise) besteht. Das sind ca. 3,8 Milliarden Euro pro Jahr. Nur etwa ein Viertel davon können selbst aufgebracht werden. Der Anteil des Sondervermögens 2025-2032 für Brandenburg liegt jedoch bei gerade einmal ca. 3 Milliarden Euro in Gänze.  

 

Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

 

In einem sind sich die kommunalen Spitzenverbände einig: weniger Fördermittel, mehr direkte Zuweisungen an die Städte und Gemeinden. In der Politik des Bundes und der Länder scheint dieser Konsens jedoch weitestgehend zu verhallen. Bund und Länder möchten sich den Gestaltungsspielraum erhalten, den Fördermittel und Sonderprogramme ihnen geben.

 

Beispielhaft zeigen zwei Diskussionspapiere, welche Auswirkungen dieses “Steuern“ mit sich bringt. Die Wüstenrot Stiftung veröffentlichte 2020 ein Papier zusammen mit dem Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung mit dem passenden Titel: „Wer schon viel hat, dem wird noch mehr gegeben? Warum der Eigenanteil bei Förderprogrammen strukturschwache Kommunen benachteiligt“. Darin werden die zeit- und personalintensiven Antragsverfahren sowie die geforderten finanziellen Eigenanteile kritisiert. In „Förderprogramme für Kommunen: politische Verflechtungen und Informationsdefizite“ von Prof. Désirée I. Christofzik und Dr. Matthias Quinckhardt wird aufgezeigt, dass politische Verbindungen die Zuweisungen beeinflussen. Eine Studie zeigt beispielsweise auf, dass Bürgermeister:innen die einer Regierungspartei angehören im Durchschnitt 20% höhere Zuweisungen und Zuschüsse einwerben konnten.

 

Diese Ergebnisse zeigen eins deutlich auf: Bund und Länder sollten sich darauf konzentrieren mit Steuern zu “steuern“. Es gilt jetzt die Kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Unsere über 10.000 Gemeinden in Deutschland bilden mit ihrer Arbeit das Fundament unserer Demokratie. Sie leisten 40% aller öffentlichen Investitionen und 60% aller öffentlichen Bauinvestitionen. Dabei verfügen sie im Verhältnis zu Bund und Ländern nur über ca. 25% der öffentlichen Einnahmen. Bricht die Konjunktur ein, sinken die Steuereinnahmen und somit die Investitionen der Städte und Gemeinden. Um die Konjunktur zu stärken, dürfen die öffentlichen Investitionen aber nicht zurückgehen. Ein Teufelskreislauf der jedoch schnell durchbrochen werden kann.

 

Die schnelle Lösung schaffen die Kommunen selbst.

 

Als allererstes ist festzustellen, dass die kommunale Verschuldung zwar unterschiedlich stark in den Bundesländern ist, aber diese, insbesondere auch im Verhältnis zu der Investitionstätigkeit, zu den Schulden der Länder und des Bundes mit ca. 6% sehr gering ausfällt. Dies hängt jedoch auch mit den restriktiven Vorgaben für kommunale Kreditaufnahmen und der Doppik zusammen, welche öffentliche Investitionen ausbremsen. Obgleich die Kommunen keiner Schuldenbremse unterliegen.

 

Eine Lösung ist dennoch schnell umsetzbar. Der Weg zu mehr Investitionen in der Krise, trotz nicht ausgeglichener Haushalte, ist ein zins- und genehmigungsfreier Kreditrahmen. Dieser Rahmen sollte vorzugsweise sich an der Höhe der Erträge aus laufender Verwaltungstätigkeit orientieren und mitwachsen. So könnten die Kommunen bis zur Höhe ihres „Jahreseinkommens“ unbürokratisch investieren. Somit ließen sich zusätzliche Investitionen in Höhe von etwa 174 Milliarden Euro generieren.

 

Diese Lösung ist auch eine alternative zur Altschuldenregelung: eine Progressive kommunale Schuldenbremse (PKS). Innerhalb des Rahmens ließen sich nämlich auch Altschulden und Kassenkredite zinsfrei umschulden. Dieser Spielraum würde mehr als 95% aller Kommunen ihre geplanten Investitionen fortführen lassen und neue anstoßen. Auch die notwendigen Abschreibungen ließen sich durch das Umbuchen von Investiven Schlüssel- bzw. Bedarfszuweisungen für die Kommunen kostenneutral darstellen. Kredite innerhalb des Rahmens müssten jedoch in Höhe der Abschreibungszeit aufgenommen werden, um die Liquidität dauerhaft sicherzustellen. Auch sollte es möglich sein, dass Mittel aus dem zinsfreien Kreditrahmen an Eigenbetriebe und Zweckverbände für Investitionen weitergereicht werden können. Die Tilgung würden diese dann aufbringen.

 

Ausgeglichene öffentliche Haushalte wird es flächendeckend erst mit dem deutlichen Anziehen der Konjunktur wieder geben. Dafür benötigt es dringend die kommunalen Investitionen. Die Zinslasten sollten sich Bund und Länder teilen. Dafür könnten Förderprogramme wegfallen. Weiterhin schöpfen sie die Mehrsteuereinnahmen aus den Investitionen größtenteils ab. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat in seiner Sonderausgabe zur Bundestagswahl 2025 mit dem Titel „Öffentliche Investitionen sind notwendig, selbst tragend und kurbeln die Wirtschaft an“ aufgezeigt, dass öffentliche Investitionen weitere private Investitionen nach sich ziehen und damit auch höhere Steuereinnahmen. Gibt also den größten Investor für öffentliche Investitionen deutlich mehr Vertrauen: den Kommunen. 

 

Autor: Marco Beckendorf, 23.07.2025

 

 

 

Marco Beckendorf (*1982) ist seit 2014 Bürgermeister der Gemeinde Wiesenburg/Mark in Brandenburg.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier gibt es das komplette Konzeptpapier zur Progressiven kommunalen Schuldenbremse https://srek.wiesenburgmark.de/progressive-kommunale-schuldenbremse-pks/

 

Eine Progressive Kommunale Schuldenbremse (PKS) ist ein Strategisches Programm zur Umsetzung auf Bundes- oder Länderebene.  Es ist entstanden im Rahmen des Bundesmodellvorhabens „Absorptionsfähigkeit von Fördermitteln in strukturschwachen Räumen stärken“ (2024-2027); dieses ist ein Programm des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). 

 

Projektteam „Aktive Regionalentwicklung“, Gemeinde Wiesenburg/Mark /
Kontakt: gemeinde@wiesenburgmark.de